Veranstaltung: | Landesmitgliederversammlung Limburg 2015 |
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Tagesordnungspunkt: | 6. Anträge |
Antragsteller*in: | Bernd Kraft (KV Main-Kinzig) |
Status: | Abgelehnt |
Beschlossen am: | 26.09.2015 |
Eingereicht: | 07.09.2015, 14:20 |
6.4: Untersuchungsausschuss NSU
Die Landesmitgliederversammlung möge beschließen:
1. Der hessische Verfassungsschutz hat in der Vergangenheit Vorgänge im Zusammenhang mit dem
"NSU" gegenüber der Öffentlichkeit vertuscht und rechtsextremistische Gruppen z. B. mit Geld
für V-Leute unterstützt. Beides ist für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hessen untragbar. Der
Verfassungsschutz hat sich parlamentarisch z. B. von einem Untersuchungsausschuss kontrollieren
zu lassen und den bestehenden Untersuchungsausschuss voll und ganz über die erfragten Vorgänge
zu unterrichten. Der Verfassungsschutz hat ferner jedwede Unterstützung Rechtsextremer zu
unterlassen.
Die Regierungsmitglieder und die Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hessen werden
aufgefordert, alles daran zu setzen, dass der hessische Verfassungsschutz künftig entsprechend
handelt. Dabei darf der Koalitionspartner weder bei der Aufklärung noch bei der Verhinderung
rechtsextremistischer Handlungen auf Kosten des Bundeslandes Hessen eine Rolle spielen,
vielmehr muss er ggf. sogar äußerst kritisch hinterfragt werden. Im Extremfall ist ein Austritt
aus der Regierung zu erwägen.
2. Die Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hessen wird aufgefordert, ihre Mitglieder im
NSU-Untersuchungsausschuss auszuwechseln.
Begründung
Zunächst sei daran erinnert, dass erst nach der massiven Intervention der Parteibasis und nach langem Zaudern durch unsere GRÜNE Landtagsfraktion die Einrichtung eines hessischen Untersuchungsausschuss unterstützt wurde, und es ist zu begrüßen, dass die hessische Landtagsfraktion diese Ablehnung eines hessischen Untersuchungsausschuss unterdessen selbst öffentlich als Fehler apostrophiert.
Doch während die schwarz-grüne Koalition z. B. mit der Drucksache 19/2270 einen umfangreichen Maßnahmenkatalog gegen Salafismus/islamistisch motivierte Organisationen vorlegt, sucht man Vergleichbares gegen den NS-Terror in Hessen bisher vergeblich (oder es wäre jedenfalls schwer zu finden, falls es so etwas geben sollte), und die Arbeit unserer Vertreter in diesem Untersuchungsausschuss ist außerordentlich unbefriedigend. Vom einen hört man gar nichts, vom anderen nur so viel, dass der öffentliche Eindruck entsteht, unser Vertreter sei ausschließlich daran interessiert, die Protagonisten der letzten wie der amtierenden Landesregierung zu entlasten und zu rechtfertigen, insbesondere Volker Bouffier, den derzeitigen Ministerpräsidenten und damaligen verantwortlichen Innenminister unter Roland („wo kann man hier gegen Ausländer unterschreiben“) Koch. Unsere Sprecher in dieser Angelegenheit haben nichts dazu getan, unser Vertrauen in die Arbeit der GRÜNEN und die Umsetzung des Strategiepapiers http://www.gruene-hessen.de/partei/beschluss/nsu-taten-aufklaeren-geruechten-halbwahrheiten/zu rechtfertigen. Tatsächlich scheint nicht etwa schonungslose Aufklärung der größten NS–Verbrechen seit dem Münchner Oktoberfest–Attentat in den 1980iger Jahren ohne Ansehen der Person das Hauptanliegen unserer Vertreter zu sein, wie u.a. in dem Parteirats-Papier gefordert, sondern stattdessen im Rahmen der CDU-GRÜNEN Koalition der „Staatsschutz“ und die „Vertrauensrettung“ (gegen „Staatsverdrossenheit“) das Hauptanliegen unserer GRÜNEN Akteure, wobei allzu oft einem populistisch-konservativen Regierungs-Mehrheitskanon gefolgt wird.
Ein Beispiel:
Immerhin, man findet eine Fülle an Material auf der Seite des MdL Frömmrich (http://www.juergen-froemmrich.de/). Seine eigenen Aussagen und Bewertungen allerdings bleiben zumeist völlig unkonkret, wenn er nicht gar in eine Richtung argumentiert, die kontraproduktiv ist. So appelliert er beispielsweise dafür, viele potentielle Zeugen aus dem Nazi-Milieu gar nicht erst zu vernehmen, vermeintlich, um ihnen kein "Forum" für ihre Propaganda zu geben. Aber müsste man nicht erwarten, dass ein Untersuchungsausschuss in der Lage ist, etwaige Propagandatiraden erfolgreich zu unterbinden? Oder darf bzw. muss man den Verdacht haben, dass hier der Koalitionspartner geschützt werden soll, der schließlich z. B. die Tatsache zu verantworten hat, dass Menschen wie "Klein-Adolf" (der Milieuname des V-Manns Temme) bis heute auf der Gehaltsliste des Landes Hessen stehen? Und auch die Beurteilung des hessischen Verfassungsschutzes wirkt eher wie ein Vertrauensbeweis gegenüber dieser Institution als ein kritisches Hinterfragen. Die mittlerweile als Fakt geltenden Vertuschungsversuchen (), der extrem fragwürdigen V-Mann/Frau Praxis im NS-Milieu (Temme, der allen Entlastungsversuchen zum Trotz objektiv durchaus tatverdächtig bleibt) und vielem anderen, dessen Aufzählung hier den Rahmen sprengen würde, sind derartige Vertrauensbeweise und die Verbreitung von Thesen zur „Reformierbarkeit“ des hessischen Verfassungsschutz durch Vertreter unserer Partei völlig deplatziert und Anregungen zur Reform dieser Institution geradezu gefährlich. Wir fordern, jedwede Vorschläge einzustellen, die diesen Dienst „effektiver, besser“ und damit mächtiger machen. Gerade der jüngste Versuch aus den Reihen des Verfassungsschutzes, etwa die Pressefreiheit anzugreifen (netzpolitik.org), bestätigt jedes Misstrauen. Dies und die Vertuschungen, mutmaßlich sogar Beteiligungen/Förderungen, von NS-Straftaten durch diese Dienste, sollten unter Demokraten und besonders in unserer Partei alle Alarmglocken schrillen lassen.
Machen wir uns zudem bewusst:
- weniger als 50% allein nur der offiziell anerkannten NS-Straftaten unter den Augen des sogenannten Verfassungsschutz werden aufgeklärt und
- an ca. jedem 5. Tag einer Woche wird eine Straftat begangen, die sich ausdrücklich auf den sogenannten nationalsozialistischen Untergrund bezieht.
Wenn unter den Augen dieses „Dienstes“ also offensichtlich ein Nazi-Mob weitgehend ungehindert brandstiftend und mordend bzw. Morde in Kauf nehmend durchs Land zieht – was könnte Politikversagen und das Versagen dieser Behörde namens "Verfassungsschutz" besser dokumentieren?
In der Konsequenz muss unsere Partei auch als Teil der Regierungskoalition und auch öffentlich in deutliche Distanz zum Verfassungsschutz treten; sie muss ein wie auch immer geartetes taktisches Verhältnis oder auch nur den kleinste Anlass zur Annahme eines solchen taktischen Verhältnisses zur Aufklärung schwerster NS-Straftaten strikt zurückzuweisen und überdies in diesem Punkt auch die Distanz zum Koalitionspartner wahren, der hier im Gegensatz zu uns in der Verantwortung steht!
Wir rufen die Partei auf, einen konsequenten Kurswechsel in dieser Frage vorzunehmen und diesen auch personell zu dokumentieren. In der Sache brauchen wir
- konsequente Aufklärung (unser Ausgangspunkt ist der Opferstandpunkt, kein anderer!),
- eine vollständige Aufklärung der Verstrickungen des hessischen Verfassungsschutzes und keinerlei vorschüssige Vertrauenserklärung für diesen Verfassungsschutz mehr,
- die vollständige Aufdeckung des hessischen NS-Netzes,
- die Beendigung jedweder Geheimniskrämerei, keine Aussageverweigerungen mehr,
- eventuell erforderlicher Zeugenschutz durch Zeugenschutzprogramme und
- die sofortige Einstellung des NS-V-Mann/Frau-Systems in der desaströs gescheiterten Form ohne Wenn und Aber!
Unterstützer*innen
- Simon Lissner (KV Limburg-Weilburg)
- Ingo Ruther (KV Frankfurt)
- Horst Schmidt (KV Main-Kinzig)
- Christa Martin (KV Main-Kinzig)
- Gabriela Schuchalter-Eicke (KV Wiesbaden)
- Ulrich Chilian (KV Wiesbaden)
- Andreas König (KV Wiesbaden)