Veranstaltung: | Landesmitgliederversammlung Limburg 2015 |
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Tagesordnungspunkt: | 6. Anträge |
Antragsteller*in: | Haluk Kaya (KV Main-Taunus) |
Status: | Zurückgezogen |
Eingereicht: | 10.09.2015, 21:49 |
6.7: Einführung der Gesundheitskarte für Flüchtlinge in Hessen
Die Landesmitgliederversammlung möge beschließen:
Die Landtagsfraktion wird gebeten, die Einführung einer Gesundheitskarte für alle Flüchtlinge
in Hessen von Anfang an nach den Beispielen von Bremen, Hamburg und NRW zeitnah zu realisieren.
Begründung
Die Herausforderungen der gegenwärtig aufzunehmenden Flüchtlinge sind immens. Das ist auch für uns Grüne KommunalpolitikerInnen eine große Herausforderung. Mit großem Engagement und mit Hilfe einer Unzahl von Ehrenamtlichen versuchen wir vor Ort sichere Unterkünfte und eine gute Versorgung zu ermöglichen.
Mit Schwarz-Grün hat die Integrations- und Flüchtlingspolitik in Hessen eine erhebliche Aufwertung erfahren. Wem der Landtagswahlkampf von 2008 noch gegenwärtig ist, mag nachvollziehen können welcher Gesinnungswandel insbesondere in den Köpfen der CDU-Mitglieder vollzogen wurde. Hier haben wir schon vieles erreicht, was nicht messbar ist, aber in die Gesellschaft ausstrahlt.
Seit unserer Regierungsbeteiligung haben wir in der Integrations- und Flüchtlingspolitik viele Verbesserungen erreicht.
Es gibt aber weiteren Handlungsbedarf:
In der Gesundheitsversorgung gibt es bislang eine große Ungleichbehandlung zwischen Einheimischen und Flüchtlingen. Alle Flüchtlinge, die weniger als 15 Monate in Deutschland sind und deren Antrag noch nicht anerkannt wurde, können nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nur bei akuten Schmerzen ärztlich behandelt werden. Das heißt zum Beispiel, bei Zahnschmerzen darf der Zahnarzt den betroffenen Zahn ziehen, aber nicht füllen; Patienten bekommen Schmerztabletten, aber keine Krankengymnastik usw.
Flüchtlinge sind in den ersten 15 Monaten von einer kompletten medizinischen Versorgung ausgeschlossen. Begründet werden die Einschränkungen damit, dass die Kosten im Griff gehalten werden sollen. Die Kosten für die Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen tragen die Kommunen. Welche Kosten dabei entstehen, ist nicht bekannt. Die Bundesländer nennen Summen zwischen 1000 und 3000 EUR pro Kopf im Jahr. Zum Vergleich: Die gesetzlichen Krankenkassen gaben im vergangenen Jahr im Schnitt für jeden Versicherten 2912 EUR aus.
Flüchtlinge ohne Gesundheitskarte müssen zunächst zum Sozialamt gehen, wenn sie sich krank fühlen. Dort bekommen sie einen Schein, der ÄrztInnen die Kostenübernahme garantiert. Das ist umständlich und bürokratisch. Zudem wird SachbearbeiterInnen in den Ämtern die Entscheidung über eine ärztliche Behandlung überantwortet, die damit fachlich überfordert sind. Die Bundesärztekammer kritisiert, dass Verwaltungsleute entscheiden, ob jemand zum Arzt gehen darf oder nicht. Flüchtlingsorganisationen finden es diskriminierend, wenn eine Kranke mit Sozialamts-Schein zum Arzt kommt statt mit der Versichertenkarte. Doch bisher lässt sich nur auf diese Weise sicherstellen, dass der Arzt erkennt: Bei diesem Kranken darf ich nicht alles medizinisch mögliche, sondern nur das Nötigste tun.
Im Jahr 2011 hat der Ausschuss der Vereinten Nationen, der über die Einhaltung der des UN-Sozialpakts wacht, Deutschland für die Ungleichbehandlung von Einheimischen und Flüchtlingen in Bezug auf die medizinische Versorgung gerügt. Daraufhin wurde im März 2015 die Frist auf Ausstellung der Gesundheitskarte von mehr als drei Jahren auf 15 Monate gekürzt, was aber immer noch eine entscheidende Ungleichbehandlung ist.
Mit der Gesundheitskarte von Anfang an werden die Voraussetzungen zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung von Flüchtlingen geschaffen und die Kommunen entlastet. Flüchtlinge, die akute Schmerzen haben oder krank sind, sollen künftig direkt zu einer Ärztin oder einem Arzt gehen können – wie jeder andere Mensch in Deutschland auch.
Auch für die Kommunen bedeutet die Einführung eine Entlastung, indem nicht nur der Genehmigungsvorbehalt entfällt, sondern auch die Bearbeitung und Abrechnung über die Krankenkassen geregelt wird.
Dies könnte ein Paradigmenwechsel in der gesundheitlichen und psychosozialen Versorgung von Flüchtlingen in Hessen sein. Da die Bundesregierung trotz entsprechender Zusagen beim Flüchtlingsgipfel nach wie vor keine konkrete Regelung auf Bundesebene gefunden hat, ist es folgerichtig die G-Karte in Hessen nach den Beispielen in Bremen, Hamburg und NRW einzuführen.
So werden Flüchtlinge befähigt selbstbestimmt zu handeln und behandelt zu werden.
Haluk Kaya, KV Main-Taunus-Kreis
Daniel Philipp, KV Main-Taunus-Kreis
Unterstützer*innen
- Daniel Philipp (KV Main-Taunus)
- Gianina Zimmermann (KV Main-Taunus)
- Yasemin Cakir (KV Main-Taunus)
- Horst Schneider (KV Main-Taunus)