Veranstaltung: | Landesmitgliederversammlung Limburg 2015 |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | 6. Anträge |
Antragsteller*in: | Kordula Schulz-Asche (KV Main-Taunus) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 14.09.2015, 16:42 |
6.12: Bürgerengagement stärken – Gesellschaft (mit-) gestalten
Die Landesmitgliederversammlung möge beschließen:
Bürgergesellschaft ist überall dort, wo Bürgerinnen und Bürger aktiv Verantwortung für das
Gemeinwohl übernehmen, sich für gemeinsame Anliegen und Projekte zusammenschließen, teilhaben
und mitgestalten. Ihr Engagement ist freiwillig und unentgeltlich gespendete Zeit, sie setzen
eigene Ideen und ihre individuellen Fähigkeiten ein.
Bürgerschaftliches Engagement ist auch ein herausragender gesellschaftlicher und individueller
Lernort und Spielraum für neue Erfahrungen. Bürgerschaftliches Engagement ist ein wesentliches
Element politischer wie sozialer Integration und besitzt eine bedeutende gesellschaftliche
Gestaltungskraft. Es darf von der Politik aber nicht missbraucht und funktionalisiert werden
für Aufgaben, die der Staat zu leisten hat. Die Beteiligung, die mitverantwortliche Gestaltung
und der kreative Eigensinn der engagierten Bürgerinnen und Bürger sind ein eigenständiger
Bestandteil der demokratischen Gesellschaft, stärken und bereichern sie.
Für die hessischen Grünen ist bürgerschaftliches Engagement nicht nur ein Teil ihrer eigenen
Geschichte, sondern ein notwendiger Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Wir wollen
deshalb dafür sorgen, dass alle Bürgerinnen und Bürger in Hessen noch mehr als bisher die
Chance haben, sich in ihrem Umfeld zu engagieren, wenn erforderlich Qualifikation erhalten und
für ihren Einsatz vielfältige Anerkennung finden. Bürgerschaftliches Engagement findet
vorrangig auf kommunaler Ebene statt und spielt eine große Rolle für die jeweilige politische,
soziale und kulturelle Struktur und damit auch für die Lebensqualität vor Ort.
Die sich verändernden Lebensbedingungen in den letzten Jahrzehnten, der demografische Wandel
und die zunehmende Mobilität der Bevölkerung haben zu Veränderungen auch beim Engagement
geführt. Es findet verstärkt auch außerhalb von Vereinen und Organisationen in selbst
entwickelten Projekten statt, geschieht in größerem Umfang zeitlich befristet und macht zum
Teil ergänzende Qualifizierung erforderlich. Hier ist Information, Beratung, Begleitung und
Unterstützung sowohl der am Engagement interessierten Bürgerinnen und Bürger wie auch der
Organisationen, Vereine und Einrichtungen, die Freiwillige einsetzen, erforderlich. Die gute
professionelle Unterstützung, z.B. durch Freiwilligenagenturen, ist Garant sinnvollen und
befriedigenden Engagements. Für uns ist aber auch klar: Engagement ist freiwillig und
unbezahlt: Engagierte dürfen nicht als billige Arbeitskräfte ausgenutzt werden.
Bürgerschaftliches Engagement hat frühzeitig die Herausforderungen der demografischen
Entwicklung aufgegriffen. Vielerorts werden Versorgungsstrukturen für hilfsbedürftige ältere
Menschen ergänzt durch ehrenamtliche Angebote. Hier reicht die Palette von Spielenachmittagen
über Besuchs- und Fahrdienste bis hin zur Organisation gemeinsamer Ausflüge. Bürgerschaftliches
Engagement macht das Leben lebenswerter, hilft gegen Einsamkeit, ermöglicht Teilhabe und
entlastet pflegende Angehörige. Integration und Inklusion sind Begriffe, die durch
bürgerschaftliches Engagement mit Leben gefüllt werden. In der Nachbarschaftshilfe, im Quartier
ist der Kontakt zwischen Menschen verschiedener Generationen und Kulturkreise
selbstverständlich. Gemeinsame Erfahrungen bei ehrenamtlichen Aktionen, der Austausch über die
unterschiedlichen Werte, Essgewohnheiten, Musik und Freizeitaktivitäten schaffen Verständnis
füreinander.
Derzeit erleben wir überall in Hessen für die Flüchtlinge eine hervorragende Willkommenskultur
und Engagement in allen Bereichen unserer Gesellschaft – ein Zeichen für Menschlichkeit und
Weltoffenheit in Hessen. Sprachunterricht, die Organisation von Treffpunkten, Hilfe bei
Behördengängen und Fahrdienste sind nur einige Beispiele. Wir wollen dieses Engagement
unterstützen und dazu beitragen, dieses Engagement zu verstetigen. Auch Flüchtlingen selbst
wollen wir bürgerschaftliches Engagement ermöglichen.
Grüne haben mitgewirkt am Aufbau und Ausbau der hessischen Engagementkampagne „Gemeinsam aktiv
– Bürgerengagement in Hessen “. Diese Kampagne war und ist mit der Initiierung der in allen
hessischen Landkreisen etablierten Ehrenamtscard, dem Qualifizierungsprogramm für Engagierte,
mit Starthilfen für die Gründung von Freiwilligenagenturen in den Kommunen, der Fortbildung von
Hauptamtlichen in Verbänden und Verwaltungen für Freiwilligenmanagement, die Vernetzungsarbeit
der LandesEhrenamtsagentur Hessen u.a.m. - ein Vorbild für viele Bundesländer.
Die hessischen Grünen wollen dafür sorgen, dass diese Förderkultur weiter belebt und
weiterentwickelt wird, in Kooperation mit der Bürgergesellschaft und zu ihrem Nutzen.
Bündnis 90/Die Grünen unterstützen die Aufnahmen des neuen Staatsziels „Förderung des
Ehrenamtes“ in die hessische Verfassung. Für die praktische Politik bedeutet das die
Festschreibung der Unterstützung von Engagement fördernden Infrastrukturen. Die Unterstützung
des bürgerschaftlichen Engagements bleibt selbstverständlich eine Pflichtaufgabe der Kommunen.
Für die Grünen stehen bei der Weiterentwicklung der Engagement-Förderung durch das Land
folgende Themen im Mittelpunkt:
A. Bürgerschaftliches Engagement strukturell stärken
1. Bündelung der Aktivitäten der Landesregierung für das Bürgerschaftliche Engagement. Das
bedeutet, dass in der erfolgreichen Kampagne „Gemeinsam aktiv“ alle Maßnahmen zur Unterstützung
des bürgerschaftlichen Engagements inklusive der Landestiftung ‚Miteinander in Hessen’
zusammengeführt und in gegenseitiger Ergänzung unter Federführung beispielsweise der
Staatskanzlei koordiniert werden. Dabei soll geprüft werden, wie diese Maßnahmen beispielsweise
jährlich unter einem Schwerpunktthema stehen.
2. Aktive Unterstützung des Ausbaus kommunaler Engagement-Förderstrukturen - wie
Freiwilligenagenturen und Freiwilligenzentren. Die Landesarbeitsgemeinschaft
Freiwilligenagenturen leistet hierbei wichtige Hilfe und soll deshalb vom Land unterstützt
werden.
3. Verstärkte Begleitung und Beratung der Kommunalen Engagement-Förderung durch die
Landesehrenamtsagentur.
4. Vereinbarung von Land und Kommunalen Spitzenverbänden zur gemeinsamen Förderung von
bürgerschaftlichem Engagement in den Kommunen.
B. Teilhabe an bürgerschaftlichem Engagement erleichtern
5. Um allen Jugendlichen die „nützliche Erfahrung, nützlich zu sein“ zu ermöglichen und z.B.
auch zusätzliche Freiräume für die individuelle Entwicklung zu schaffen, soll dem Engagement
Jugendlicher besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Möglichkeiten und Maßnahmen zur
Entwicklung und Stärkung des Engagements von Jugendlichen sollen auch gemeinsam mit Schulen,
Trägern und Vereinen ausgebaut und verstärkt werden. Die bereits existierenden Strukturen
(Jugendleitercard, Aus- Fort- und Weiterbildung durch freie Träger du Jugendverbände) sollten
weiter unterstützt und ausgebaut werden. Es soll geprüft werden, wie der Erwerb der
Jugendleitercard mit weiteren Vergünstigungen bei staatlichen, kommunalen und privaten
Angeboten gewürdigt werden kann.
6. Ältere Menschen mit ihren Qualifikationen und Erfahrungen sind wichtige Engagierte in vielen
Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Eine steigende Zahl von Älteren ist aber auch
zunehmend auf Engagierte angewiesen. Durch Modelle des Quartiersmanagements wollen wir
einerseits das Engagement Älterer erleichtern und andererseits Pflegebedürftigkeit vorbeugen
sowie ehrenamtliche Ergänzung professioneller Pflege ermöglichen.
7. Auch das Engagement von hessischen Bürgerinnen und Bürgern mit Migrationshintergrund gehört
zur Bürgergesellschaft ebenso wie das Engagement für Migrantinnen und Migranten und aktuell
besonders für Flüchtlinge. Bestehende Förderprogramme des Landes sollen daraufhin überprüft
werden, ob sie dazu geeignet sind, Initiativen in diesen Bereichen noch gezielter zu
unterstützen.
C. Bürgerschaftliches Engagement wertschätzen
8. Auszeichnungen des Landes für besonders kreatives und innovatives Engagement in
Beteiligungs- und Engagement-Projekten, die es z.T. schon gibt, sollen für alle
gesellschaftlichen Bereiche ausgeschrieben werden. Damit können auch die kritischen Impulse des
Bürgerschaftlichen Engagements im Rahmen der Ehrenamtskampagne besser wahrgenommen und
unterstützt werden.
9. Bürgerschaftliches Engagement von Mitarbeiter/-innen ist für Unternehmen und Verwaltungen
eine wesentliche Bereicherung, vor allem durch die soziale Kompetenz der Belegschaft. Als
Vorbild für alle privaten und öffentlichen Arbeitgeber soll die Hessische Landesregierung
bürgerschaftliches und ehrenamtliches Engagement als Element der Anerkennungskultur bei der
Besetzung von Stellen berücksichtigen.
D. Fort- und Weiterbildung des bürgerschaftlichen Engagements stärken
10. Zu einer nachhaltigen Engagement-Förderung gehört die Anerkennung und Begleitung freiwillig
Engagierter durch die Hauptamtlichen in Verbänden und Verwaltung. Fortbildungen zum Thema
Freiwilligenmanagement sind eine wichtige Bedingung dafür, die vom Land weiter unterstützt und
ausgebaut werden soll.
11. Bei sozialen Berufen und Verwaltungsfachkräften soll bereits in der Ausbildung die
Begleitung von Engagierten thematisiert werden durch Aufnahme von Ausbildungselementen zum
Thema Freiwilligenmanagement. Die Curricula an Fachhochschulen und Universitäten sollten
entsprechend ergänzt werden.
E. Bürgerschaftliches Engagement wissenschaftlich begleiten
12. Zu wichtigen Fragestellungen im Themenbereich Engagement-Bereitschaft, Engagement-Förderung
und Engagement-Management in Hessen soll das Land prüfen, wie einebegleitende Untersuchung
vertiefende Erkenntnisse für die weitere Entwicklung bürgerschaftlichen Engagements liefern
kann. Dabei könnten Fragen nach derzeit weniger sichtbarem Engagement ebenso wie die
Ansprechbarkeit von derzeit nicht Engagierten oder bestimmten Gesellschaftsgruppen untersucht
werden.
Begründung
- erfolgt mündlich -
Unterstützer*innen
- Marcus Bocklet (KV Frankfurt)
- Christa Perabo (KV Marburg)
- Jochen Ruoff (KV Bergstraße)
- Gianina Zimmermann (KV Main-Taunus)
- Harald Fischer (KV Main-Taunus)