Veranstaltung: | Landesmitgliederversammlung Limburg 2015 |
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Tagesordnungspunkt: | 6. Anträge |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 28.09.2015, 09:31 |
Antragshistorie: | Version 1 |
6.8neu: Extremismustheorie ablehnen - antifaschistische und antirassistische Arbeit unterstützen
Die Landesmitgliederversammlung möge beschließen:
Für BÜNDNIS'90/DIE GRÜNEN Hessen ist gesellschaftliches Engagement gegen Diskriminierung
überall gefragt und darf nicht kriminalisiert werden! BÜNDNIS'90/DIE GRÜNEN Hessen
solidarisiert sich mit Menschen und Initiativen, die sich gegen Diskriminierungen und
menschverachtenden Einstellungen engagieren. Wir kritisieren sowohl die Kriminalisierung jener
als auch die Gleichsetzung mit Rassist*innen, Faschist*innen und Terrorist*innen. Rassismus und
menschenverachtendes Denken muss in der gesamten Gesellschaft als Problem erkannt und gemeinsam
angegangen werden. BÜNDNIS'90/DIE GRÜNEN Hessen lehnt die Extremismustheorie daher ab.
Gewaltfreiheit muss dabei immer die Grundlage jeden Handelns sein.
Begründung
Als extremistische Bestrebungen werden jene Aktivitäten beschrieben, die sich gegen die gesellschaftliche, herrschende Ordnung der Bundesrepublik richten. Der Verfassungsschutz hat sich daher zur Aufgabe gemacht, diese Bestrebungen zu beobachten. In den Medien wird meist von "Rechtsextremist*innen" gesprochen, welche gewaltbereite Handlungen ausüben oder sich gegen das politische und gesellschaftliche System Deutschlands aussprechen. Ebenso wird von "Linksextremist*innen" berichtet, die die bestehende Staats- und Gesellschaftsordung beseitigen wollen, Häuser besetzen oder Castor-Transporte blockieren. Die Debatte um Extremismus wird dabei höchst emotional geführt und (teils vermeintliche) "Extremist*innen" werden, egal welcher Gruppierung sie sich zuordnen und ob sie einen Terroranschlag ausgeübt, ein Asylbewerber*innenheim angezündet oder einen Castor-Transport blockiert haben, gleichgesetzt.
Um Menschen dem "Extremismus" zuzuordnen, bedient man sich dabei meist der Hufeisentheorie. Dabei seien Menschen, die der Mitte zugeordnet werden, "gut", "normal", "unaufällig" und verhalten sich nach einer (beliebig verwendeten Auslegung) der "freiheitlichen demokratischen Grundordnung". Engagement oder gar kritisches Hinterfragen des bestehenden Systems ist nach der Hufeisentheorie den Normalbürger*innen fremd. Den Rändern werden diejenigen zugeordnet, deren Ansichten oder Handlungen grundsätzlich etwas an der bestehenden Gesellschaftsordnung ändern wollen. Sie sind die sogenannten "Extremist*innen", egal, wie genau ihre Ziele aussehen und ob diese sich eventuell grundlegend unterscheiden.
Die Begriffe "normal" und "extrem" und die Grenze zwischen ihnen sind nicht nur vollkommen willkürlich und politisch motiviert, sondern setzen auch Menschen mit entgegengesetzten Zielen und Handlungen vollkommen gleich, obwohl sie kaum etwas gemeinsam haben. Menschen, die diskriminieren oder Gruppen aus der Gesellschaft ausschließen wollen, werden nach der "Extremismustheorie" mit denjenigen gleichgesetzt, die für Gleichberechtigung und -behandlung aller, unabhängig von Merkmalen wie beispielsweise Herkunft oder Geschlecht, kämpfen.
Dabei übersieht das Modell aber, dass rassistische und andere menschenverachtende Einstellungen, bereits in der "Mitte" der Gesellschaft verbreitet sind. Durch die starre Trennung in "extrem" und "normal" wird genau dieses Problem verschoben und an den Rand gedrängt, denn die eigentlichen "Schuldigen" sind bereits als "Extremist*innen" ausgewiesen und somit auch identifizierbar. Diskriminierungen in der "Mitte" der Gesellschaft werden daher als Problem nicht erkannt, verharmlost oder verschwiegen. Menschen, die sich aktiv gegen Diskriminierungen oder Rassismus engagieren, gehören nunmehr nicht der "Mitte" der Gesellschaft an und werden durch den Begriff "Linksextremismus" kriminalisiert und unter Generalverdacht gestellt. Dies übersieht, dass sich Menschen aus allen Bereichen der Gesellschaft aktiv gegen Diskriminierung wenden.