Veranstaltung: | Landesmitgliederversammlung Frankfurt 2021 |
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Tagesordnungspunkt: | 9. Anträge |
Antragsteller*in: | Marcus Stadler (Wetteraukreis) |
Status: | Angenommen |
Eingereicht: | 11.11.2021, 13:53 |
9.3: Tiertransporte in und durch Hessen: effiziente Kontrollen helfen dem Schutz der Tiere / Antrag der LAG Tierschutzpolitik
Die Landesmitgliederversammlung möge beschließen:
Die Landesmitgliederversammlung der Grünen in Hessen unterstützt die Bemühungen des hessischen
Umweltministeriums Tiertransporte Deutschland- und Europaweit deutlich zu vermindern und
fordert, vor dem Hintergrund der kommunalisierten Zuständigkeiten, auf die Landkreise und
kreisfreien Städte einzuwirken, dass diese die Kontrollen von Tiertransporten in Hessen
effizienter gestalten.
Folgende Schritte sollten auf allen Handlungsebenen umgesetzt werden:
1. Ziel grüner Politik muss es sein, lange Lebendtiertransporte perspektivisch möglichst
überflüssig zu machen.
2. Lebendtiertransporte in Drittstaaten außerhalb der EU, auf deren Weg eine nachweisbare
Versorgung der Tiere nicht gewährleistet ist, müssen national rechtssicher verboten werden.
Darüber hinaus setzen sich die Grünen für eine europaweite Regelung ein.
3. Um lange Lebendtiertransporte zu Schlachtstätten zu vermeiden, müssen die regionale und
ökologische Erzeugung von Fleischwaren weiter gefördert und dafür
a) regionale kleinere Schlachtstätten, hofnahe Schlachtungen zum Beispiel durch mobile
Schlachtanlagen (z.B. Projekt Extrawurst) weiter unterstützt,
b) Direktvermarktung und regionale Vermarktung gestärkt, und
c) die Verbraucherinnen und Verbraucher mehr pflanzliche Alternativen und ökologische und
regionale Erzeugnissen im Lebensmittelmarkt und der Gemeinschaftsverpflegung angeboten werden.
4. Um das Leid der Tiere bei derzeit noch unvermeidbaren Lebendtiertransporten zu verringern,
gilt es,
a) die Kontrollen der Landkreise und kreisfreien Städte zu verstärken. Dazu sollten, entlang
der wichtigsten Transportwege, Zielvorgaben für die „angemessenen Zahl“ an
Tiertransportkontrollen auf den Straßen gemacht werden.
b) Sofern in einem Jahr auffällig viele Verstöße im Vergleich zum Vorjahr festgestellt werden,
soll die Zahl der Kontrollen erhöht werden.
c) Das Land soll die Koordinierung der Kontrollen unterstützen. Gleiches gilt für die effektive
Kontrolle von Transporten am Zielort (Schlachtstätten).
d) Die Landkreise und kreisfreien Städte sollen ihre Notversorgungs- und
Unterbringungsmöglichkeiten für Tiere laut TierSchTrV §20.2 (2) abstimmen und landesweit
koordinieren. Das Land soll hierbei unterstützen.
e) Das Land soll Schulungsmaßnahmen der Veterinärämter und der Polizei zur Zusammenarbeit bei
Tiertransportkontrollen stärker als bisher unterstützen.
Begründung
Die bessere Vermarktung von regional und ökologisch produziertem Fleisch ist eine Chance die hessischen Verbraucherinnen und Verbraucher mit Nahrungsmitteln zu versorgen für die keine langen Lebendtiertransporten durchgeführt werden müssen. Die Stärkung und Weiterentwicklung der regionalen Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen für regional und ökologisch erzeugte Lebensmittel in Hessen ist ein wichtiges Anliegen grüner Politik.
Im Jahr 2019 wurden über 763 Millionen[1] Tiere in deutschen Schlachthöfen geschlachtet. Durch den fortschreitenden Verlust an kleinen und regionalen Schlachthöfen und die starke Konzentration auf zentrale Großschlachtbetriebe verlängern sich die Transportwege zusehends. In der Regel ist der Transport zum Schlachthof für die Tiere zwar der letzte, aber nicht der erste Transport in ihrem Leben. Aufgrund des heutigen hohen Spezialisierungsgrads in der Landwirtschaft werden die Tiere innerhalb Deutschlands und Europas oft noch hunderte bis tausende Kilometer hin und hergefahren, um den größtmöglichen Profit mit den Tieren zu generieren.
So exportierte Deutschland im Jahr 2019 über 317 Millionen[2] Hühner, Schweine, Rinder und andere Tiere in EU-Länder und führte mehr als 171 Millionen dieser Tierarten aus anderen EU-Ländern ein. Die hohen Anzahlen an Tieren, die jährlich in Deutschland und in ganz Europa transportiert werden, machen die Relevanz der Tiertransporte für den Tierschutz deutlich. Aufgrund seiner besonderen geografischen Lage mit vielen Autobahnquerungen kann Hessen sich bei der Kontrolle weiterhin besonders einbringen.
Der Transport von lebenden Tieren bedeutet für jedes einzelne Individuum, gleich welcher Tierart, Stress und erhebliches Leiden. Kein Tier ist es von Natur aus gewohnt eng zusammengepfercht in Bewegung gebracht und in seinem natürlichen Bewegungsdrang stark eingeschränkt zu werden. Die Folgen sind häufig Verletzungen bis hin zu gegenseitigen Verstümmelungen. Sie leiden unter Platzmangel und oft unzureichender Deckenhöhe, wodurch sie keine natürlichen Körperhaltungen einnehmen können. Auch die Versorgung mit Wasser ist allzu oft unzureichend und führt besonders bei hohem Außentemperaturen zu enormen Durststress. Das Ziel Grüner Politik ist, Tiere artgerecht und ohne unnötiges Leiden zu halten. Deshalb muss gerade dem Transport von Tieren unser Augenmerk geschenkt werden.
Zur Umsetzung des EU-Rechts für die Tiertransportkontrollen sind in Deutschland die Bundesländer verantwortlich und in Hessen nach dem Kommunalisierungsgesetz aus dem Jahr 2005 direkt die Landkreise und kreisfreien Städte. Die Landkreise und kreisfreien Städte müssen bei dieser Aufgabe jedoch besser unterstützt werden um eine übergeordnete Koordination und transparente Berichterstattung über die Durchführung von Kontrollen sicherzustellen, um ein laxes Umgehen mit Vorschriften und Tierschutzmaßnahmen zum Leidwesen der transportierten Tiere zu verhindern.
Der unmittelbare Schritt grüner Politik sollte es sein, ein engmaschiges funktionierendes Kontrollsystem zu etablieren, das die rechtlichen Mindestanforderungen umzusetzen hilft. Gemäß der Verordnung (EG) 1/2005 über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen sind die Mitgliedstaaten aufgefordert, die Häufigkeit der Kontrollen „an einer angemessenen Zahl der jedes Jahr in den einzelnen Mitgliedstaaten transportierten Tiere durchzuführen“ (Artikel 27). Statistiken und Anfragen in Landkreisen belegen, dass dies aber noch nicht zufriedenstellend erfolgt.
Bei den Kontrollen im Jahr 2018 wurden in Deutschland insgesamt etwa 6.000[3] Verstöße beim Transport von Rindern, Schweinen, Vögeln, Schafen und Ziegen festgestellt. Bei den Rindern betrafen die meisten Verstöße (nahezu 45 %) die Transportfähigkeit der Tiere. Insbesondere fanden die Kontrolleur*innen hochtragende oder kranke bzw. verletzte Tiere auf den Transportern. Auch bei Schweinen wurde meist der Transport von verletzten oder kranken Tieren bemängelt. Bei allen Tieren fanden die Kontrolleur*innen Verstöße gegen die Vorgaben der Ladedichte vor, die Transporter waren also überladen. Das betraf vor allem in Behälter zusammengepferchte Vögel. Bei anderen Verstößen ging es um die Dokumentation oder das Transportmittel. 430 Mal wurden außerdem die Vorgaben zum Tränken und Füttern oder zur Transport- oder Ruhedauer nicht eingehalten.
Eine besondere Herausforderung dabei ist: Transportunternehmen umfahren bestimmte Regionen gezielt oder wählen gänzlich andere Routen, um häufigen oder strengeren Kontrollen zu entgehen. Da sich außerdem das Strafmaß für dieselben Vergehen von Land zu Land innerhalb der EU immer noch unterscheidet, nehmen die Transportunternehmen hier sogar deutlich längere Wege in Kauf, um strenge Strafen zu vermeiden. Dieses Verhalten verstößt gegen den Artikel 3a) der Verordnung (EG), Nr. 1/2005.
Die EU-Verordnung regelt die Angemessenheit der Anzahl der Kontrollen: „die Zahl der Kontrollen wird erhöht, wenn festgestellt wird, dass die Vorschriften dieser Verordnung nicht eingehalten wurden.“
[1] Lt. Albert Schweitzer Stiftung auf Grundlage des Statistischen Bundesamtes
[2] Nach Berechnungen der Albert Schweitzer Stiftung auf Grundlage der Online-Datenbank GENESIS des Statistischen Bundesamtes.
[3] Jahresbericht 2018: nichtdiskriminierenden Kontrolle nach Verordnung (EG) Nr. 1/2005 in Deutschland
Unterstützer*innen
- Dr. Heidi Bernauer-Münz (KV Lahn-Dill)
- Hans-Jürgen Müller (KV Werra-Meißner)
- Kathrin Anders (KV Wetteraukreis)
- Andreas Saakel (KV Lahn-Dill)
- Sandra Gerbert (KV Main-Kinzig)
- Martina Feldmayer (KV Frankfurt)