Veranstaltung: | Landesmitgliederversammlung Königstein 2019 |
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Tagesordnungspunkt: | 3. Anträge |
Antragsteller*in: | Martin Häusling (Schwalm-Eder) |
Status: | Zurückgezogen |
Eingereicht: | 21.08.2019, 11:30 |
3.1: Mercosur stoppen – Fairhandel statt Freihandel!
Die Landesmitgliederversammlung möge beschließen:
Wir von Bündnis90/ Die Grünen Hessen lehnen das aktuelle Freihandelsabkommen mit den Staaten
Paraguay, Brasilien, Uruguay und Argentinien (Mercosur) ab. Wir brauchen fairen Handel statt
Freihandel. Der ökologisch-soziale Anspruch muss gerade heute in internationalen Verträgen eine
starke Haltung bekommen. Menschenrechte und Klimaziele lassen keinen Verhandlungsspielraum zu.
In diesem Abkommen, das zu den größten seiner Art zu zählen wäre, werden Umwelt- und
Sozialstandards praktisch komplett ausgeblendet oder gelten bestenfalls auf Papier.
Ziel eines Freihandelsabkommen ist die Senkung von Handelsschranken zu Gunsten eines freien
Warenaustausches. Wir Grüne wollen jedoch ökologische und soziale Standards erhalten
beziehungsweise in internationalen Verträgen Geltung verschaffen. Wir brauchen fairen Handel
statt Freihandel um jeden Preis. Es kann Europa nicht egal sein, wie vereinbarte Standards in
Südamerika durchgesetzt werden. Wir importieren Gen-Soja und Rindfleisch aus fragwürdigem
Anbau, um dafür Autos zu exportieren. Und ignorieren die zahlreichen sozialen und ökologischen
Ziele, für die wir in Europa sehr hart ringen und die für den Erhalt unseres Planeten
unverzichtbar sind!
Der Mercosur-Vertrag beinhaltet keine verbindlichen Vereinbarungen zu Klima- und Umweltschutz,
keine belastbaren Aussagen zu den Pariser Klimazielen und auch keine Aussagen zu Arbeits- und
Sozialstandards jenseits der kurzen Nennung in der Präambel. Es werden keine überprüfbaren
Faktoren festgelegt, die die Einhaltung dieser Ziele einklagbar machen. Wir machen eine Rolle
rückwärts, wenn wir Freihandelsverträge abschließen, die nicht mal die Mindeststandards
erfüllen und unsere europäischen Ziele der Agrarwende lächerlich machen. Brauchen wir noch mehr
Gen-Soja und Rindfleisch? Brauchen wir zusätzliche Anreize für eine Agrarindustrie in
Südamerika, die Raubbau an Umwelt und Ressourcen betreibt?
Sowohl in Argentinien wie auch in Paraguay und Brasilien wird die agrarindustrielle Umwandlung
der Regen- und Trockenwälder nachdrücklich forciert. Eine Agrarindustrie die im Cerrado in
Brasilien wie in der Pampa Argentiniens gewaltige Flächen mit Monokulturen überzieht. Es werden
Pestizide in der sechs- bis zehnfachen Menge wie in Europa ausgebracht. Viele dieser Pestizide
sind in Europa verboten. Umwelt und Menschen vor Ort leiden darunter extrem.
Zudem darf die EU nicht die Politik eines lupenreinen Faschisten wie Jair Bolsonaro in
Brasilien unterstützen. Ein Präsident, der die Aneignung von Flächen für die Agrarindustrie zum
obersten Ziel erklärt hat. Riesige Flächen Wald werden aktuell legal und illegal gerodet. Und
die indigenen Einwohner Brasiliens Stück für Stück entrechtet. Wir Europäer sollten keine
politischen Systeme stärken, in denen homophobes und rassistisches Verhalten verherrlicht und
eine öko-vandalistische Politik begünstigt wird, die zugleich das lokale gesellschaftliche
Klima und das Weltklima bedroht.
Die Europäische Landwirtschaft steht trotz Subventionen unter enormen (Preis-)Druck, da sie
exportorientiert und damit an Weltmarktpreisen ausgerichtet ist. Das betrifft auch Hessen.
Zusätzlich zu den Importen aus den USA setzt das Mercosur-Abkommen besonders den europäischen
Rindfleischmarkt nicht nur in Irland und Frankreich sondern auch in den deutschen
Mittelgebirgslagen und damit auch in Hessen unter Druck. Gerade die im Mittelgebirge noch
häufig betriebene Weidehaltung als nachhaltigste Form der Fleischerzeugung, mit einer enorm
positiven Wirkung auf Klimaschutz und die Artenvielfalt (Grünland), wird so noch unrentabler
und über Kurz oder Lang verschwinden.
Wir Grüne stehen für fairen Handel statt zügellos freiem Handel und sehen ökologisch-soziale
Standards nicht als Handelshemmnisse. Jede Gesellschaft und jede Nation hat das Recht, eigene
Regeln für ihr Ernährungssystem aufzustellen, das nennt man Ernährungssouveränität und es ist
im „Recht auf Nahrung“ verbrieft. Wir wollen die notwendige Transformation für eine
klimagerechte Zukunft nicht durch den globalen Wettbewerb um niedrige Standards untergraben
lassen und den Raubbau an der Natur beenden.
Bündnis90/ Die Grünen Hessen lehnen das sogenannte Mercosur-Abkommen ab.
Begründung
In Brasilien werden aktuell pro Minute etwa drei Hektar Fläche gerodet. Allein im Juni 2019 wurden 920 Quadratkilometer Regenwald abgeholzt und damit doppelt so viel wie im Juni 2018. Die Werte der brasilianischen Raumfahrtbehörde (Inpe) für Juli sind noch alarmierender. Sie geben eine Steigerung von 278 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum an.[i] Meist war bisher von illegalen Bandrodungen die Rede.[ii] Doch aktuell legalisiert der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro persönlich das kriminelle Vorgehen. Und feuert dann eher den Vorsitzenden der Raumfahrtbehörde, als auf die Zahlen mit politisch klugen Ideen zu reagieren.[iii]
Seit Amtsantritt hat Bolsonaro den Hunger der Agrarindustrie nach Landfläche mit allen Mitteln bedient. Die Lobby der agrarindustriellen Landwirtschaft ist extrem mächtig in Brasilien und gehört neben den Evangelikalen zu den stärksten Unterstützern Bolsonaros. Sie ist die treibende Kraft bei Waldrodungen mittels gefälschter Flächeninbesitznahme. Auf riesigen Plantagen über tausende Quadratkilometer bauen Großgrundbesitzer Gen-Soja, Mais, Eukalyptus und Gen-Baumwolle an. Dafür wird aktuell der Cerrado, ein Trockenwald, der sich vom mittleren bis in den Nord-Osten Brasiliens zieht, systematisch erschlossen. Die Regenwälder im Amazonasgebiet geraten auch wieder zunehmend unter Druck. Mit der Waldvernichtung werden, die dort seit langem Wohnenden und indigenen Einwohner mit Scheinbesitzurkunden vertrieben. Wasserkreisläufe werden zerstört, kostbare Naturräume und Artenvielfalt massiv vernichtet. Doch das Gen-Soja wird nicht nur exportiert, es wird auch mehr und mehr vor Ort „veredelt“. Die Fleischindustrie zählt allein in Mato Grosso, ein Bundesstaat im Cerrado und etwa 2,5 mal so groß wie Deutschland, aktuell mehr als 21 Millionen Rinder – bei circa 3,5 Millionen Einwohnern.
Die Folgen für Menschen, Umwelt und Klima spielen für Brasiliens Präsidenten keine Rolle. Wichtig ist nur das wachsende Geschäft mit Agrargütern wie Gen-Soja, Rindfleisch und Co. Umweltstandards existieren in Brasilien durchaus, doch kontrolliert wird kaum. Seit dem Amtsantritt Bolsonaros wurden zudem viele Umweltstandards ausgesetzt. Laut der brasilianischen Gesellschaft für Agrarökologie sind knapp die Hälfte der 50 hauptsächlich in Brasilien eingesetzten Pestizide in den USA, Kanada oder Europa verboten. Fehlende Tierschutzstandards, die ungenügende Kontrolle der Umweltgesetze bzw. der völlige Freibrief, den Bolsonaro der ungebremsten Agrarproduktion einräumt, zeigen, dass die Behauptung der EU Kommission, Brasilien und Südamerika könnten oder wollten nach europäischem Standard liefern, letztlich blauäugig und naiv ist oder schlicht keine Rolle spielt, wenn es um die eigenen Exporte von Autos geht.
Insgesamt zeigt der brasilianische Präsident keinerlei Willen, bisher in Brasilien erreichtes Recht und Gesetz einzuhalten. So ignoriert Bolsonaro die Rechte der indigenen Bevölkerung nicht nur völlig was die Reservate und Schutzrechte angeht. Bolsonaro ruft öffentlich auf diese zu ignorieren, weil die indigenen Völker bereits zu viele Privilegien genössen. Und meint, damit vor allem die ausgewiesenen Reservate. Circa 13 Prozent bislang meist unerschlossener Urwälder wurden den indigenen Völkern vom brasilianischen Staat zugesprochen. Bolsonaro ist das jedoch ein Dorn im Auge. Er will „In-Wert-Setzung“ um jeden Preis. Mit aggressiven Parolen heizt er die Stimmung gegen indigene Einwohner an. Goldgräber, Bauern und Holzarbeiter nutzen den Aufruf des Präsidenten um - legal oder illegal – das Land in Besitz zu nehmen und seine Ressourcen auf Kosten der indigenen Bevölkerung, von Umwelt und Natur auszubeuten. Dabei werden lebensnotwendige Ressourcen der indigenen Einwohner vor Ort vernichtet und im weiteren Umland auch vergiftet. Dies halten wir für ein systematisches Vergehen gegen die Rechte der indigenen Bevölkerung.
Noch im Wahlkampf 2017 warnte die Wochenzeitung „Die Zeit“ vor einem möglichen Präsidenten Jair Bolsonaro: Er sei „ein Mann der äußersten Rechten, der mit übertriebenen polemischen Aussagen gerne die Rolle eines Politikclowns à la Donald Trump spiele. Rassismus, Homophobie, Sympathien für die Militärdiktatur und Folterknechte, offen vorgetragenes faschistisches Gedankengut: Bei Bolsonaro ist alles zu finden.“[iv] Heute muss man feststellen, dass dieser Mann eine gefährliche Bedrohung darstellt: in Brasilien für Schwule und Lesben ebenso wie für indigene Völker und weltweit für Klima und Umwelt. Für Bolsonaro zählt ausschließlich Profit. Diplomatische Verwerfungen sind ihm dabei egal, ähnlich wie bei Trump.
Allein aus diesen Gründen ist das Freihandelsabkommen abzulehnen.
[i]https://www.sueddeutsche.de/politik/brasilien-bolsonaro-amazonas-1.4550598, Stand 16. Aug 2019
Unterstützer*innen
- Boris Mijatovic (Kassel-Stadt)
- Nicole Maisch (Kassel-Stadt)
- Eva Raabe (Schwalm-Eder)
- Wolfgang Strengmann-Kuhn (Offenbach-Stadt)