Veranstaltung: | Landesmitgliederversammlung Königstein 2019 |
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Tagesordnungspunkt: | 3. Anträge |
Antragsteller*in: | Boris Mijatovic (Kassel-Stadt KV) |
Status: | Angenommen |
Eingereicht: | 27.08.2019, 16:29 |
3.4: Rechtsextremismus gemeinsam bekämpfen
Die Landesmitgliederversammlung möge beschließen:
Mit Entsetzen verurteilen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Hessen den Mord an dem nordhessischen
Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke und die NSU Mordserie mit dem Kasseler Opfer Halit
Yozgat. Wann immer Rechtsextremisten Anschläge auf unsere Mitmenschen verüben, ist es immer
auch ein Anschlag auf unsere Demokratie. Die abscheulichen Taten sind ein Weckruf für uns alle,
den Kampf gegen Rechtsextremismus zu intensivieren.
Wie wehrhaft unsere Demokratie ist, haben unter anderem mehr als 15.000 Menschen gezeigt, die
am 20. Juli 2019 in Kassel gegen eine Demo der Partei „Die Rechte“ auf die Straße gegangen
sind. Dennoch haben beide Morde die Kasseler Stadtgesellschaft wie das ganze Land bis ins Mark
erschüttert. Das Vertrauen in Sicherheitsbehörden, Justiz und Politik muss unsere demokratische
Gesellschaft beschäftigen. Nicht nur den Menschen, sondern im Besonderen den Opfern rechter
Gewalt und deren Angehörigen sind wir verpflichtet, politische Antworten auf diese widerlichen
Ausmaße politisch motivierter Gewalt zu finden.
Bündnis90/ Die Grünen Hessen werden als Teil der Landesregierung alles in Ihrer Macht Stehende
tun, um rechtsextreme Gewalt umfassend aufzuklären und rechtsextremem Gedankengut entschlossen
entgegenzutreten. Dazu gehört für uns Grüne, die vollständige Aufklärung politisch motivierter
Gewalt sowie die Überprüfung und Verbesserung sicherheitsbehördlicher Strukturen.
BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Hessen fordern deshalb:
1. Die hessische Zivilgesellschaft in ihrem Kampf für Demokratie und gegen Rechtsextremismus
stärken
Der Kampf gegen Rechtsextremismus und für unsere Demokratie kann nur gemeinsam mit der
Zivilgesellschaft gelingen. Das Wissen und die Kompetenz, die sich über Jahre hinweg bei den
Initiativen und Organisationen aufgebaut haben, sind unerlässlich für antifaschistische Arbeit
und für die Stärkung unserer Demokratie. Wir Grüne stehen an der Seite der Zivilgesellschaft
und wollen daher dieses Engagement fördern und dessen Ausbau unterstützen.
2. Politische Bildung und Prävention weiter ausbauen
Der effektivste Schutz gegen rechtextremistische Gesinnungen ist die Demokratiebildung.
Gemeinsame Werte und ein respektvolles Miteinander in einer vielfältigen Gesellschaft, stehen
im Kontrast zu Ausgrenzung und Diffamierung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer
Religion, ihrer geschlechtlichen oder sexuellen Identität. Daher wollen wir die bestehenden
politischen Bildungsangebote für alle Bevölkerungsgruppen weiter stärken.
3. Hassrede im Internet konsequent verfolgen
BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Hessen stellen mit Sorge fest, dass die Angriffe auf unsere Demokratie
zunehmen. Nicht immer aber äußern sie sich in Form von Gewalt. Am Anfang sind es meist zunächst
nur Worte, die den Nährboden für Hass und Gewalt bereiteten. Gerade im Netz sind Rassismus,
Homo- und Transfeindlichkeit sowie Misogynie/ Frauenfeindlichkeit Alltag. Hatespeech wird
gezielt genutzt, um Menschen einzuschüchtern und zu verdrängen. Zum einen schränkt dies
Meinungsvielfalt ein und beschädigt den demokratischen Diskurs. Zum anderen richtet sich der
Hass oftmals gegen Minderheiten, zu deren Schutz wir Demokrat*innen uns verpflichten.
BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Hessen setzen sich für eine konsequente strafrechtliche Verfolgung von
Hassbotschaften ein und wirken auf die Einrichtung einer Anlaufstelle für Betroffene hin.
4. Erinnerungskultur weiter stärken
Die Verbrechen des Nationalsozialismus an der Menschheit gehören in das Gedächtnis jede*r
Demokrat*in. Der Blick in eines der dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte reicht aber
nicht aus. Erinnerungskultur bedeutet für BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Hessen aus der Vergangenheit
zu lernen und das Versprechen „Nie wieder!“ in Taten umzusetzen. Aus diesem Grund sind die
Gedenkstätten und deren Bildungsarbeit essentiell. Daher wollen wir deren Arbeit mit besten
Kräften unterstützen und weiter fördern.
5. Hessische Sicherheitsbehörden besser gegen rechts aufstellen
Der Kampf gegen Rechtsextremismus muss ein wesentlicher Bestandteil bei der Ausbildung von
Sicherheitsbehörden sein. Hierzu zählt die Erkennung von Gefahren und deren Abwehr sowie die
Sensibilität gegenüber den Opfern. Die Handlungsempfehlungen aus dem Abschlussbericht des
Untersuchungsausschuss NSU im hessischen Landtag müssen, sofern noch nicht gesehen, konsequent
umgesetzt werden. Dazu gehört vor allem der Ausbau der Kooperation mit anderen
Sicherheitsbehörden sowie mit denen in anderen Bundesländern.
Bekannte Rechtsextremisten dürfen nicht einfach so vom Radar der Sicherheitsbehörden
verschwinden. Daher muss geprüft werden, ob die Überwachung einzelner Personen im
Phänomenbereich Rechtsextremismus nach deren letzter Verurteilung weiter fortgeführt werden
können.
Darüber hinaus bedarf es einer Analyse und Weiterentwicklung vorhandener Sicherheitsstrukturen.
Grundsätzlich braucht es eine Fehlerkultur, die bereit ist, das eigene Vorgehen und Strukturen
zu reflektieren und an einer ständigen Verbesserung orientiert ist. Das gilt für den
Geheimdienst, die Polizei sowie für die Justiz.
Die Sicherheitsbehörden haben die Aufgabe unseren Staat und dessen Bürger*innen zu schützen.
Rechtsextremistische Gesinnungen sind weder bei der Polizei noch bei keiner anderen
behördlichen Stelle zu tolerieren. Solche Vorkommnisse müssen vollständig aufgeklärt, die
Personen strafrechtlich verfolgt und selbstverständlich aus dem Dienst entfernt werden.
BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Hessen bekräftigen daher das im Koalitionsvertrag festgehaltene Vorhaben
zur Einrichtung einer unabhängigen Ombudsstelle, um Rechtsextremismus bei der Polizei
frühzeitig aufzudecken und dagegen vorgehen zu können.
6. Opferschutz verbessern
Abgesehen von der konsequenten Verfolgung, braucht es ein gutes, niedrigschwelliges und
wohnortnahes Beratungsangebot für die Opfer von rechtsextremistischen Straftaten. Damit die
hessischen Opferberatungsstellen sich auf ihrer Arbeit konzentrieren können, wollen wir sie
finanziell absichern und ihnen Planungssicherheit geben.
7. Hassgewalt konsequent verfolgen
Viele politisch motivierte Straftaten werden immer noch nicht als solche eingestuft.
Ausbildungen und Weiterbildungen bei Polizei und Justiz müssen so gestaltet werden, dass sie
dazu beitragen, dass Hassverbrechen als solche erkannt, verfolgt und verurteilt werden.
Ausstehende Haftbefehle müssen umgehend vollstreckt werden, um ein mögliches „Abtauchen“ zu
verhindern.
8. Waffenrecht verschärfen und Kontrollen konsequent vollziehen
Immer wieder haben Rechtsextremisten in der Vergangenheit legal einen Zugang zu Waffen
bekommen. BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Hessen fordern eine Verschärfung des Waffenrechts, die regelt,
dass Rechtsextremisten grundsätzlich Waffenscheine versagt werden. Bei der
Zuverlässigkeitsprüfung müssen die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes über die Person
miteinbezogen werden. Bestehende Erlaubnisse müssen regelmäßig überprüft werden. Die
entsprechenden Vorschläge zu Änderung der Gesetze auf Bundesebene unterstützen wir. Durch den
verstärkten Kontrolldruck wollen wir insbesondere auch illegale Waffen aus dem Verkehr ziehen
sowie Händler und Eigentümer strafrechtlich verfolgen.
9. Rechtsextreme Vereine und Codes verbieten
Das Verbot des rechtsextremistischen Vereins Blood & Honour in Hessen war ein Anfang zur
Zerschlagung von rechtsextremistisch-militanten Netzwerken. Um den Druck auf die Szene aufrecht
zu erhalten, bedarf es, auch Organisationen, die über die Landesgrenzen hinaus aktiv und
vernetzt sind, in den Blick zu nehmen. Der Verein Combat 18 wird seit mehreren Jahren vom LfV
beobachtet und hat bekannterweise Schnittstellen zu Blood & Honour. BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Hessen wollen daher Combat 18 ebenfalls verbieten und begrüßen die Ankündigung des hessischen
Innenministers, sich auf Bundesebene für ein solches Verbot einzusetzen.
Auch im zivilen Leben sollten rechtsextreme Codes, das Kokettieren mit faschistischen Symbolen
und rassistischen Motiven nicht als Kavaliersdelikte betrachtet werden. So könnten die
gesetzlichen Regeln zur KFZ-Zulassung dahingehend geändert werden, dass einschlägige
Buchstaben- und Zahlenkombinationen wie AH, HH, RK, 18, 28, 88 oder auch 1312 nicht vergeben
werden.
Unterstützer*innen
- Vanessa Gronemann (Kassel-Stadt)
- Awet Tesfaiesus (Kassel-Stadt)
- Reinhold Weist (Kassel-Stadt)
- Nicole Maisch (Kassel-Stadt)
Änderungsanträge
- Ä1 (Stefan Seyfried (Darmstadt KV), Angenommen)