Veranstaltung: | Landesmitgliederversammlung Frankfurt 2019 |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Im Herzen von Europa |
Antragsteller*in: | Landesvorstand, Martin Häusling (KV Schwalm-Eder), Miriam Dahlke (KV Frankfurt) (dort beschlossen am: 01.05.2019) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 03.05.2019, 17:10 |
4.1: Im Herzen Europas – Ökologie, Menschenrechte und Demokratie stärken
Titel
Die Landesmitgliederversammlung möge beschließen:
Die Europawahlen am 26. Mai 2019 sind richtungsweisend für die weitere Entwicklung und das
Zusammenleben auf unserem Kontinent. Wir Grüne stehen für die europäische Idee und wollen die
Europäische Union gemeinsam mit allen Demokratinnen und Demokraten weiterentwickeln. Ökologie,
Menschenrechte und Demokratie stehen dabei für uns im Mittelpunkt, sie wollen wir stärken.
Rechtsextremen und nationalistischen Kräften erteilen wir eine klare Absage.
Unser Herz schlägt für den europäischen Einigungsprozess. Weder ist dieser Prozess einfach,
noch die Europäische Union perfekt. Aber es ist das beste Europa, das wir je hatten. Wir
arbeiten mit Vernunft und Leidenschaft daran, dass die Europäische Union menschlicher,
ökologischer, sozialer und offener wird. Das wechselseitige Anerkennen von Interessen, das
gemeinsame Bemühen um Lösungen und die konstruktive Zusammenarbeit haben die Europäische
Gemeinschaft zu einem historischen Beispiel für Frieden und Sicherheit gemacht. Auf diesem Weg
muss Europa gestärkt werden.
Europa ist unsere Zukunft!
Die Europäische Union wird aktuell durch viele Konflikte in ihren Grundfesten erschüttert. Die
gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik wird von regionalen kriegerischen Konflikten,
internationalem Terrorismus oder globalen Krisen durch Hunger oder Folgen des Klimawandels
besonders herausgefordert. Innerhalb der eigenen Grenzen wird die EU von populistischen und
nationalistischen Bewegungen angegriffen und durch Austrittsbestrebungen auf die Probe
gestellt. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hessen rufen zu einem demokratischen, solidarischen und
modernen Europa auf.
In den letzten 62 Jahren wurden wichtige Schritte zur Europäischen Integration eingeleitet.
Dabei waren immer auch eine intensive Wirtschaftsgemeinschaft und ein Binnenmarkt wesentliche
Ziele. Die Europäische Union versteht sich aber vor allem als Wertegemeinschaft, deren primäre
Ziele die friedliche Verständigung des Kontinents nach den Gräueln der beiden Weltkriege und
das kontinuierliche Zusammenwachsen jenseits staatlicher Grenzen sind. Inzwischen verkörpert
sie nicht nur Frieden und einen Binnenmarkt mit umfassenden Grundfreiheiten, sondern ist Symbol
für Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte der Europäischen
Menschenrechtskonvention. Wir GRÜNE mahnen die Einhaltung dieser Werte insbesondere auch an den
Außengrenzen der EU an: Jeder Mensch, der auf der Flucht nach Europa stirbt, ist einer zu viel.
Wir stehen für ein starkes, soziales und humanes Europa.
Die Antwort auf die Probleme in Europa ist für uns GRÜNE klar: Wir brauchen mehr Europa. Wir
stehen für die Stärkung des Einigungsprozesses und für die Stärkung des Europäischen
Parlaments.
Für ein Europa des Umwelt- und Naturschutzes, gemeinsam gegen die Überhitzung der Erde
Fridays for Future, Feinstaubbelastungen in den Innenstädten oder das weitreichende
Artensterben haben das Thema Umwelt- und Klimaschutz erneut ins breite gesellschaftliche
Bewusstsein gebracht und zivilgesellschaftliche Bewegung ausgelöst: Wir waren und sind Teil
dieser gesellschaftlichen Aufbruchsstimmung! Wir wollen, dass die Europäische Union diese
Zukunftsthemen im Sinne verantwortungsvoller Politik ganz oben auf die politische Agenda setzt.
Dafür braucht es starke GRÜNE im Europäischen Parlament. Wir werden als wichtiger Teil der
europäischen Umweltbewegung zu einer solchen Prioritätensetzung beitragen!
Die Europäische Union setzt schon heute zahlreiche umweltrechtliche Standards. Diese Regeln
werden von den nationalen Regierungen nur teilweise umgesetzt. Gegen Deutschland laufen aktuell
17 Vertragsverletzungsverfahren. Die Große Koalition in Berlin missachtet europäisches
Umweltrecht und setzt weiter auf extensives Wirtschaften zu Lasten von Klima, Umwelt und Natur.
Das wollen wir ändern.
Wir brauchen ein starkes Europa, das im Umweltrecht, bei Gewässerschutz und Ackerchemie, bei
Verkehr und Feinstaub, bei Tierschutz und tierquälerischen Transporten die Regeln nicht nur
setzt, sondern diese Regeln auch durchsetzen kann.
Klimaschutz verlangt Engagement und Einsatz für gesellschaftliche Veränderung.
Verkehrspolitisch setzen wir auf abgasfreie Mobilität. Mit der Energiewende wollen wir die
Erneuerbaren Energien auch zur Wärmeerzeugung nutzen. Und bei der Agrarwende stellen wir den
ökologischen Nutzen für eine intakte Natur in den Fokus der Förderpolitik.
Verantwortungsvolle Landwirtschaft und Nutztierhaltung statt Zerstörung der Böden und
Ausbeutung der Nicht-Europäer*innen
Intensive Landwirtschaft, die auf Monokulturen setzt, führt heute dazu, dass ganze Naturräume
zu unbelebten Zonen werden. Außer einer Pflanzenart lebt auf diesen Feldern nichts mehr.
Insekten- und Pflanzengifte zerstören jedoch weit mehr als nur das Leben auf diesen Feldern.
Die Folgen dieser Landwirtschaft sind dramatisch: massives Artensterben, mit Kunstdünger und
Gülle belastete Böden, Stoffe wie Nitrat, die nach und nach ins Grundwasser eindringen.
Der Schutz der Artenvielfalt muss endlich über den Profit globaler Unternehmen gestellt werden.
Wir wollen eine pestizidfreie Landwirtschaft und Rückzugsräume für die Natur.
Hinzu kommen die Auswüchse der Massentierhaltung: Wir importieren Gen-Soja aus Südamerika,
füttern damit in riesigen Ställen Kühe und Schweine, um ihr Fleisch im Welthandel billig
verkaufen zu können. Mit dieser Politik vernichten wir unsere heimische Natur und überschwemmen
die lokalen Märkte des globalen Südens mit unseren subventionierten Resten. Dies gefährdet die
Lebensgrundlage der Menschen und zerstört die Wirtschaft vor Ort. Wir GRÜNE stehen für eine
verantwortungsvolle europäische Handelspolitik, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt.
Nur ein soziales Europa ist ein starkes Europa
Mit der Europäischen Union gibt es einen gemeinsamen Markt mit freiem Waren-, Personen- und
Dienstleistungsverkehr. Die Förderung sozialer Gerechtigkeit und sozialen Schutzes sowie die
Bekämpfung sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung sind als Ziele der EU in den Europäischen
Verträgen verankert. Doch das Versprechen eines sozialen Europas, in dem alle Menschen
gleichermaßen an der Gesellschaft teilhaben können, ist noch nicht erreicht. Die Finanzkrise
und ihre Folgen zeigen, dass Europa auch immer die soziale Gerechtigkeit im Blick haben muss.
Der teilweise zu einseitige und harte Sparkurs in den Ländern, die besonders von der Eurokrise
getroffen wurden, hat die Lebensbedingungen vieler Menschen verschlechtert.
Soziale Rechte müssen den gleichen Stellenwert bekommen wie die ökonomischen Freiheiten des
Binnenmarktes. Sie sind Bedingung für den sozialen Frieden innerhalb der EU und damit für ihren
Zusammenhalt von großer Bedeutung. Dafür sind gemeinsame europäische Arbeits- und
Sozialstandards essentiell. Die sozialen Sicherungssysteme der Mitgliedstaaten wie Rente,
Gesundheit, Pflege oder Grundsicherung sind auf vergleichbare Niveaus zu bringen. Grünes Ziel
ist es, die Rechte von Frauen weltweit zu fördern und Frauen als Akteurinnen in Gesellschaft,
Wirtschaft und Politik zu stärken sowie ihnen gleichwertigen Zugang zu sozialen,ökonomischen
und politischen Ressourcen zu garantieren und die reproduktiven und sexuellen Rechte zu
stärken. Wir zeigen uns solidarisch mit Frauen in ganz Europa, und unterstützen sie bei der
Durchsetzung ihrer individuellen Selbstbestimmungsrechte.
Außerdem braucht ein soziales Europa eine Gesamtstrategie gegen Armut und
Jugendarbeitslosigkeit. Länderspezifische Mindestlöhne sollen überall in Europa dafür sorgen,
dass Menschen von ihrer Arbeit leben können. Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen bei
gleichwertiger Arbeit sind nicht akzeptabel. Es braucht die Einführung einer europäischen
Rückversicherung der nationalen Arbeitslosenversicherungen als Notfallinstrument zur sozialen
Absicherung, wenn in Krisenzeiten Arbeitslosenversicherungssysteme einzelner Mitgliedstaaten
überfordert sind. Grenzüberschreitendes Arbeiten muss besser sozial abgesichert werden.
Fairer Handel auf sozial-ökologischer Basis
Gerade der Europäischen Union kommt als Schlüsselakteur im Welthandel eine zentrale Rolle zu.
Diese Rolle wollen wir nutzen, um universelle Prinzipien wie die Menschenrechte, das Recht auf
Bildung, auf gesundheitliche Versorgung und auf Nahrung zu verteidigen. Europa vertritt soziale
und ökologische Grundwerte – das muss auch im außereuropäischen Handel deutlich werden.
Die Handelsverträge der jüngeren Vergangenheit haben großes Aufsehen erregt. Die Abkommen mit
Kanada (CETA) und Japan (JEFTA) lösten kritische Proteste der Zivilgesellschaft aus, die mehr
demokratische Beteiligung und die Öffnung der wirtschaftlichen Absprachen erreichen konnten.
Diese kritische Begleitung der Umsetzung wird insbesondere beim Investorenschutz weiterhin
notwendig sein.
Aktuell verhandelt die Europäische Union mit den Mercosur-Staaten Südamerikas ein
Freihandelsabkommen, das in der sozialen und ökologischen Wirkung weitreichende Folgen haben
könnte. So wurde auf Bestreben Brasiliens der Schutz des Amazonas-Regenwaldes aus dem
Vertragsentwurf gestrichen. Dabei ist gerade der Amazonas aufgrund der in Folge des möglichen
Abkommens weiter steigenden Rindfleischproduktion stark bedroht. Die rechte Regierung Bolsonaro
befeuert zusätzlich die Abholzung des Regenwaldes, ignoriert Menschenrechte und setzt für die
wuchernde chemiegetriebene Agrarwirtschaft auf weiteren Raubbau an der Natur. Deshalb
unterstützen wir die Europafraktion in ihrer Forderung gegenüber der EU-Kommission, die
aktuellen Verhandlungen auszusetzen. Wir hessische Grüne wollen zudem soziale und ökologische
Kriterien gerade für die Handelsabkommen mit den Staaten des globalen Südens verankern. Umwelt-
und Klimaschutz sind keine regionalen Probleme, sondern müssen Grundlage jeder europäischen
Wirtschaftspolitik sein.
Digitalisierung und neue Technologien – die Zukunft braucht Grüne Leitlinien
Die gegenwärtigen technologischen Entwicklungen bringen neue Herausforderungen. Wir wollen
technischen Fortschritt und setzen auf neue Verfahren zum Beispiel beim Antrieb, der Energie
oder der Gebäudewärme, um unsere Klimaschutzziele zu erreichen. Gleichzeitig wissen wir, dass
technologische Entwicklung immer auch neue ethische Fragen aufwirft, wie zum Beispiel der
Umgang mit Gentechnik oder dem autonomen Fahren.
Die Europäische Union ist eine Union von Wissenschaft und Ethik. Wir wollen den Fortschritt und
setzen zugleich auf Werte, die Menschen und Umwelt als Bezugsrahmen setzen. Wir fordern den
verantwortungsvollen Umgang mit neuen technologischen Ideen. Unser Ökosystem ist kein
Experiment, sondern eine lebensnotwendige Ressource. Der Schutz von Umwelt, Mensch und Natur
setzt die Grenzen für Risikotechnologien.
Wir GRÜNE erneuern Europas Versprechen: Ökologisch, demokratisch und sozial. Mit einem klaren
Ja zu Europa und einem Ja zur Veränderung Europas wollen wir den großen Herausforderungen
unserer Zeit begegnen.
Unsere Antwort auf die Krise von Europa ist mehr Europa. Kommt, wir bauen das neue Europa!