Veranstaltung: | Landesmitgliederversammlung Frankfurt 2019 |
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Tagesordnungspunkt: | 6. Anträge |
Antragsteller*in: | LAG Digitales und Medien (dort beschlossen am: 25.04.2019) |
Status: | Zurückgezogen |
Eingereicht: | 26.04.2019, 21:44 |
6.3: Privatsphäre und Anonymität im Internet schützen - Verschärfung des IT-Sicherheitsgesetzes stoppen
Die Landesmitgliederversammlung möge beschließen:
Wir Grüne - als Bürger*innenrechtspartei - sehen die Einschränkung von Grundrechten wie der
Privatsphäre grundsätzlich kritisch, das gilt analog wie digital. Das Internet darf kein
grundrechtsfreier Raum werden. Informationelle Selbstbestimmung geht Hand in Hand mit dem
Grundrecht auf Privatsphäre, das an vielen Stellen nur durch Anonymität erreicht werden kann.
Eingriffe in diese Grundrechte durch Sicherheitsgesetze und Einführung neuer Straftatbestände
sind daher immer kritisch zu hinterfragen. So birgt etwa der an verschiedenen Stellen
vorgeschlagene § 126a StGB mit seinen schwammigen Formulierungen die Gefahr einer pauschalen
Kriminalisierung von Anonymisierungsdiensten.
Der Entwurf soll nur Dienste unter Strafe stellen, die den Zweck verfolgen, Straftaten zu
ermöglichen. Diese Einschränkung verfehlt jedoch ihr Ziel, da in der Praxis fast allen
Internetplattformen solch ein Zweck unterstellt werden könnte. Das kann das Ende zahlreicher
internetbasierter Dienste zur anonymen Kommunikation bedeuten.
Stattdessen befürworten wir die Stärkung der IT-Sicherheit in Einklang mit Grundrechten wie der
Privatsphäre. Verschlüsselung und Datenschutz stärken die IT-Sicherheit, daher sollten sie
gefördert anstatt eingeschränkt werden.
Daher fordern wir die Grünen Staatsminister*innen und Mitglieder des Bundesrates auf, sich bei
einer Abstimmung im Bundesrat gegen Verschärfungen wie den § 126a StGB zu positionieren. Auch
die Grüne Landtagsfraktion fordern wir auf, sich entsprechend zu positionieren, wenn dies im
Rahmen ihrer Tätigkeit im Landtag oder den Ausschüssen zum Tragen kommt.
Begründung
Was als sicherlich gut gemeinte Initiative begonnen hat, um Waffen- und Drogenhandel im Internet habhaft zu werden, ist in der praktischen Ausgestaltung zu einem massiven Angriff auf die Freiheit im Internet erwachsen.
Mit dieser Maßnahme würde nach derzeitigem Entwurfsstand ein neuer Paragraf 126a StGB das Anbieten von „internetbasierten Leistungen“ die "Straftaten ermöglichen oder fördern" verbieten. Schon die Ermöglichung zu verbieten ist nicht ohne massive Kollateralschäden möglich. Existierende Gesetze stellen den Waffen- und Drogenhandel bereits unter Strafe; das Internet ist eben kein rechtsfreier Raum. So wird mit § 126a StGB ein Straftatbestand geschaffen, der einzig und allein auf Plattformen abzielt, über die solche Transaktionen stattfinden könnten.
Dies schafft mehrere Probleme:
1. Es stellt grundsätzlich alle Plattformen, in denen Kommunikation oder Handel betrieben werden kann, unter Generalverdacht, nur weil darüber illegaler Handel stattfinden "könnte". Das wäre, als würde man die Post dafür bestrafen, dass darüber Drogen verschickt werden könnten.
2. Durch den offen und ungenau gefassten Straftatbestand ist ein Anfangsverdacht einfach begründet, welcher zu großflächigen, eingriffsintensiven Überwachungsmaßnahmen führen kann.
3. Es führt zu einer Kriminalisierung von gesellschaftlich wünschenswerten Diensten im Internet, wie bspw. Anonymisierungsdiensten. Diese spielen in vielerlei Hinsicht eine wichtige Rolle für die freie Gesellschaft. Einerseits als sicheres Kommunikationsmittel für Dissidenten, Whistleblower und Journalisten, andererseits um sich vor den immer weiter ausufernden Datensammlungen sowohl von Tech-Giganten als auch staatlichen Behörden (in unterschiedlichsten Ländern mit zweifelhafter Rechtsgrundlage) zu schützen.
Eine solche Maßnahme ist in keiner Weise vom Koalitionsvertrag gedeckt. Ein einseitiges Vorgehen der CDU mag zwar - nach dem Ressortprinzip - grundsätzlich nicht zu verhindern sein, aber mindestens bei Bundesratsbeschlüssen, bei denen laut Koalitionsvertrag Einvernehmen herrschen muss, kann dies durch eine ablehnende Haltung begrenzt werden!
Weitere Begründung erfolgt mündlich.
Quellen:
Auszug daraus: "§ 126a – Zugänglichmachen von Leistungen zur Begehung von Straftaten
(1) Wer Dritten eine internetbasierte Leistung zugänglich macht, deren Zweck oder Tätigkeit darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten zu ermöglichen, zu fördern oder zu erleichtern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist."